3.1 Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise im Winterhalbjahr 2008/09 legten viele Staaten umfangreiche Konjunkturprogramme auf. Gleichzeitig stützten sie die heimische Finanzindustrie, um die Auswirkungen der Wirtschafts- und Immobilienkrise abzufedern und senkten beispielsweise die Steuern, um Wachstumsimpulse zu generieren. In Folge dessen stiegen die Haushaltsdefizite und damit verbunden auch die Staatsverschuldungen in nahezu allen großen Industrienationen an. Gleichzeitig senkten die Zentralbanken die Leitzinsen und traten als Käufer von Anleihen in Aktion, um die Wirtschaft und die Kapitalmärkte mit ausreichend Liquidität zu versorgen.

Diese Maßnahmen haben die Wirtschaft stabilisiert und zu einer Erholung der einzelnen Volkswirtschaften 2010 beigetragen – allerdings weltweit mit unterschiedlicher Dynamik. Vor allem die Wachstumsregionen in Asien und Südamerika setzten den bereits in 2009 eingeleiteten Aufschwung fort, während Europa insgesamt noch eine gebremste konjunkturelle Expansion erlebte. Die Produktion stieg in allen Industrienationen und in den Wachstumsmärkten an. Trotz der expansiven Wirtschaftspolitik und der Erholung in den meisten Staaten ist die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern jedoch noch sehr hoch. 2010 war insgesamt geprägt vom Auslaufen staatlicher Stützungsmaßnahmen und angesichts neuer Rekordstände bei den Staatsschulden von Konsolidierungsbemühungen.

Der Euroraum stürzt in die Eurokrise – Deutschland zeigt sich als Wachstumslokomotive

Die Wirtschaft der Länder im Euroraum entwickelte sich sehr unterschiedlich. Insbesondere Deutschland erwies sich als Wachstumsmotor. Die größte Volkswirtschaft Europas profitierte von der Exportorientierung ihrer Industrie und somit von dem starken Aufschwung in den Wachstumsmärkten. Nach einem Minus von 4,7% im Vorjahr legte das Bruttoinlandsprodukt um 3,6% zu. Neue Investitionen der Unternehmen und steigende Konsumausgaben dank sinkender Arbeitslosenzahlen unterstützten den Aufschwung.

In Frankreich und Italien wuchs die Wirtschaft nur leicht um 1,6% beziehungsweise 1% – während sie in Spanien, Irland und Griechenland sogar schrumpfte. Im ersten Halbjahr 2010 lösten der hohe Schuldenstand sowie eine drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands eine Eurokrise aus: Die Kapitalmärkte befürchteten das Auseinanderbrechen der europäischen Währungsunion, nachdem einige Staaten die Eurokonvergenzkriterien massiv verletzten und die Marktteilnehmer negative Folgen für den gesamten Währungsraum befürchteten. Griechenland erhielt vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Euroländern einen Notfallkredit und verpflichtete sich im Gegenzug zu tiefgreifenden Konsolidierungsmaßnahmen beziehungsweise Reformen. Darüber hinaus haben die Europäische Union und der IWF einen 750 Mrd. Euro Rettungsschirm konstruiert, der es hochverschuldeten Euroländern ermöglicht, Notkredite kapitalmarktunabhängig zu erhalten. Gegen Ende des Jahres nahm Irland den Rettungsschirm in Anspruch und leitete ebenso umfassende Reformen zur Haushaltskonsolidierung ein. Ähnlich betroffene Länder wie Spanien und Portugal gerieten auf den Kapitalmärkten unter Druck, da auch hier angesichts der hohen Verschuldung und der weiterhin schwierigen volkswirtschaftlichen Situation von einer Inanspruchnahme des Rettungsschirms ausgegangen wurde. Insbesondere Spanien und Irland haben noch mit den Folgen der Immobilienkrise und den strukturellen Problemen der Finanzindustrie zu kämpfen. Gleichzeitig sind beide Länder von hoher Arbeitslosigkeit betroffen. Durchschnittlich betrug die Arbeitslosenquote im Euroraum gegen Ende des Jahres 10%.

Gesamtwirtschaftliche Indikatoren

Bruttoinlands-
produkt

Arbeitslosen-
quote

Verbraucher-
preise

Industrielle Produktion

Veränderung %

2010

2009

2010

2009

2010

2009

2010

2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Deutschland

3,6

-4,7

7,7

8,2

1,1

0,4

9,9

-15,4

Frankreich

1,6

-2,5

9,4

9,1

1,5

0,1

5,5

-13,4

Italien

1,0

-5,1

8,5

7,8

1,5

0,8

5,4

-18,4

Spanien

-0,2

-3,7

19,9

18,0

1,8

-0,3

0,7

-16,2

Euroraum

1,7

-4,0

10,0

9,5

1,6

0,3

6,6

-14,8

Großbritanien

1,7

-5,0

4,6

4,7

3,3

2,2

3,6

-10,8

Aufgrund der starken internationalen Verflechtung des Finanzmarktes wirkte sich die Finanz- und Immobilienkrise auch auf Großbritannien aus. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in 2009 um 5% hat sich das britische Bruttoinlandsprodukt in 2010 zwar mit einem Wachstum von 1,7% erholt, zeigt allerdings ähnlich wie der gesamte Euroraum eine geringe Dynamik. Ein beträchtlicher Teil des Zuwachses ist dem Lagerzyklus zuzuschreiben, der private Verbrauch und die Unternehmensinvestitionen nahmen nur verhalten zu. Die neue britische Regierung kündigte aufgrund des hohen Haushaltsdefizits umfassende Sparmaßnahmen sowie Steuererhöhungen an, die mittelfristig zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt führen sollen.

USA wachsen deutlich – strukturelle Probleme bleiben bestehen

In den USA hat die wirtschaftliche Erholung im Laufe des Jahres etwas an Schwung verloren. Nachdem die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr 2009/10 noch kräftig ausgeweitet wurde, schwächte sich der Produktionsanstieg mit dem langsamen Auslaufen der Konjunkturprogramme sowie des Lagerzyklus in den Sommermonaten ab. Wenngleich die Schätzungen für den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im Laufe des Jahres gesenkt wurden, dürften die USA den Einbruch des Vorjahres von 2,6% mit einem Anstieg in 2010 von 2,9% kompensiert haben – ein Großteil dessen ist allerdings staatlichen Maßnahmen sowie expansiver Geldmarktpolitik seitens der Zentralbank geschuldet. Am Arbeitsmarkt ist der Aufschwung bislang nicht ersichtlich. Mit einer Quote von 9,7% notiert die Arbeitslosigkeit strukturell auf einem der höchsten Niveaus seit den 80er Jahren. Daneben scheinen viele Probleme, die zur Immobilien- und späteren Wirtschaftskrise führten, ungelöst. Der Immobilienmarkt hat sich noch nicht substanziell erholt, und die Zahl der Zwangsvollstreckungen sowie der Kreditausfälle im Immobilienbereich befindet sich nach wie vor auf einem hohen Niveau.

Schwellenmärkte kurbeln Weltwirtschaft an

Die Schwellenmärkte – allen voran China – setzten ihren Wachstumskurs fort. Nach 9% im Vorjahr wuchs die chinesische Wirtschaft in 2010 um 10%. Treiber des kräftigen Anstiegs war die Industrie, in der die Produktion ebenso wie die Investitionen stark stieg. In der Volksrepublik nahm der private Konsum aufgrund steigender Realeinkommen und Immobilienpreise zu. Die in der Wirtschaftskrise verlorenen Außenhandelsvolumina konnten in 2010 mehr als kompensiert werden. Die Exporte erreichten im Dezember 2010 mit US$ 154 Mrd. einen neuen Höchstwert.

In Südamerika verbesserte sich die wirtschaftliche Situation zusehends. In der größten südamerikanischen Volkswirtschaft Brasilien erreichten alle wesentlichen Wirtschaftsindikatoren wie Produktion, Exporte und privater Konsum spätestens gegen Ende des Jahres wieder alte Höchststände. Steigende Rohstoffpreise unterstützten die heimische Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt verbesserte sich 2010 um 7,5%. Gleichzeitig sank die Arbeitslosigkeit auf neue Tiefststände von 6,8%.

Die russische Wirtschaft war in 2009 noch stark um 7,9% eingebrochen und konnte sich in 2010 etwas erholen. Eine höhere Produktion und gestiegene Rohstoffpreise unterstützen den Aufschwung. Durch den höheren Wechselkurs des Rubel verschlechterte sich allerdings die Wettbewerbssituation etwas, und die Dynamik im zweiten Halbjahr war leicht rückläufig. Insgesamt erhöhte sich die Wirtschaftsleistung in Russland gegenüber dem Vorjahr um 4%.

Gesamtwirtschaftliche Indikatoren

Bruttoinlands-
produkt

Arbeitslosen-
quote

Verbraucher-
preise

Industrielle Produktion

Veränderung %

2010

2009

2010

2009

2010

2009

2010

2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

U.S.A.

2,9

-2,6

9,7

9,3

1,6

-0,3

5,6

-9,3

China

10,1

9,2

4,2

4,3

3,0

-0,7

15,2

11,4

Brasilien

7,5

-0,6

6,8

8,1

5,0

4,9

4,1

19,2

Russland

4,0

-7,9

7,5

8,4

6,9

11,7

8,0

-9,3

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